Ruck zuck...

 

„Die Kunst soll dem Menschen in der Gesellschaft dienen“, sagt Samuel Wiesemann, weil sie sich ansonsten in selbstreferentieller Kunst–um-der-Kunst-Willen erschöpft. Deshalb hält er auch nichts von konzeptlastigen Interventionen: Diese gebärden sich zwar gesellschaftskritisch, verfehlen ihr Ziel aber schon deshalb, weil sie es nicht verstehen, dem akademischen Diskurs-Sumpf zu entrinnen. Um dem zu entgehen, benutzt Wiesemann in seinen Arbeiten Bildgrammatiken des Sozialistischen Realismus, die er mit Ansätzen der südamerikanischen Mauer-Malerei und zeitgenössischer Pop-Ikonografie kombiniert.

Dass er mit diesem formalen Ansatz in der Gegenwartskunst momentan allein dasteht, ist Wiesemann dabei recht egal. Es geht ihm nicht darum, ein handverlesenes Kunstpublikum zu erreichen. Nein, an den Normalbürger richtet sich seine Kunst. Und so kann es sogar vorkommen,  dass er seine Arbeiten unmittelbar auf öffentlichen Straßenland vollbringt. So geschehen anlässlich der jüngsten Bundespräsidentenwahl.

Wiesemann zwang seinen Galeristen, zusammen mit ihm eine Werbewand im Prenzlauer Berg zu okkupieren und an ihr ein Plakat anzubringen, das fragen zur aktuellen Bundespolitik aufwirft. Das Plakat zeigt eine Tram-Haltestelle, an der sich herzlich wenig tut. Dem Bildinhalt entgegengesetzt, findet sich eine Textur, die auf einem programmatischen Satz aus einer der letzten Bundespräsidentenreden anspielt:
Es muss ruckzuck...

Edmund Pieper Juni 2004